Ich habe wieder draußen übernachtet. Diesmal nicht allein (siehe hierzu den Beitrag: Alone – Draußen schlafen in der Wildnis), sondern zusammen mit Simone, einer anderen Wildnispädagogin, Bloggerin (OutZeit Blog) und Mitgründerin von Enter the Wild (Portal für Outdoor-Abenteuer & Naturerlebnisse). Ich habe mich zum ersten Mal getraut, eine Nacht in einem stärker frequentierten, stadtnahem Waldstück zu verbringen. Ich habe gespürt, wie die Kraft der Gemeinschaft motiviert, stark und mutig macht. Wir Menschen sind Rudeltiere. Ohne Gemeinschaft und Kooperation hätte sich der Mensch nicht so erfolgreich auf der Erde ausbreiten und überleben können. Das konnte ich wieder einmal unmittelbar erfahren. Und wenn man sich Zeit nimmt, herumstromert und eine Nacht unter freiem Himmel schläft, öffnet sich ein Raum für neue Lern-Erfahrungen, inneres Wachstum und Naturverbindung.
Gemeinschaft von Gleichgesinnten und das Gesetz der Anziehung

Am Ende meiner Wildnispädagogen-Ausbildung gab uns mein Mentor (Christian von Naturabenteuer Niederrhein) den Rat, dass wir uns mit Gleichgesinnten vernetzen sollten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Bedeutung dieser Worte noch nicht in seiner ganzen Tragweite begriffen. Nun merke ich Stück für Stück aufgrund eigener Erfahrungen, welche Kraft eine unterstützende Gemeinschaft von Gleichgesinnten hat.
Diese Unterstützung kann unterschiedlich aussehen. Wenn ich mich mit Gleichgesinnten Natur-Liebenden, Lebens-Forschern und Entdeckern vernetze, führt das dazu, dass das, was ich liebe, mehr Raum in meinem Leben bekommt. Dieser Umstand folgt dem Gesetz der Anziehung: Gleiches zieht Gleiches an. Ich kann bewusst etwas dafür tun und es mir leichter machen. So geht es mir beispielsweise mit meiner Komplizin Christina von der Wildnisschule NaWiDu. Zeitlich gesehen nimmt Natur, Wildnispädagogik, Naturachtsamkeit und altes Wissen über die Verbindung zur Natur in meinem Leben durch die Verbindung mit Gleichgesinnten mehr Zeit-Raum in meinem Leben ein. Die Gemeinschaft mit anderen wirkt sich aber auch auf die Qualität und Tiefe meiner Erfahrungen und meine Verbindung zur Natur aus. Ich kann viel von anderen lernen – an Wissen und an neuen Perspektiven. Ich bekomme neue Inspirationen. Ich werde in meiner Leidenschaft bestärkt, weiter zu lernen, mehr Raus zu gehen und selbst Natur-Erfahrungen zu machen.
Das wurde mir heute Nacht sehr klar. Ohne Simone hätte ich diese Nacht nicht draußen im Wald geschlafen. Natürlich ist es auch sehr wertvoll und eine ganz andere Art von Erfahrung, wenn man etwas alleine macht und schafft – wie alleine draußen zu schlafen (siehe hierzu den Beitrag: Alone – Draußen schlafen in der Wildnis). Diesmal hätte ich aber nicht draußen geschlafen, wenn Simone nicht den Impuls dazu gegeben hätte. Alleine fällt es mir oft schwerer, meinen inneren Schweinehund zu überwinden und die Bequemlichkeit eines weichen, geschützten und warmen Bettes gegen die harte Matratze und den Biwaksack im Wald bei Temperaturen um die 5 Grad einzutauschen. Wenn man etwas gemeinsam mit einem anderen macht, haben die Ausreden im Kopf oft weniger Überzeugungskraft. Es wird einfacher, die eigene Komfortzone zu verlassen und die eigenen Grenzen zu weiten. Die doppelte Energie ist einfach stärker als die Stimmen im Kopf: Frauenpower pur! Wie schön, dass unsere Übernachtung zufällig auf den Welt-Frauentag fiel.
Gemeinsam ist man stärker

Die Kraft der Gemeinschaft macht auch stärker. Nicht umsonst heißt es: „Gemeinsam ist man stärker“ oder „Wenn man Freunde hat, braucht man sich vor nichts auf der Welt zu fürchten“ (Janosch). Alleine hätte ich mich wahrscheinlich in diesem stadtnahen, hoch frequentierten Waldstück als Frau nicht getraut, eine Nacht zu verbringen. Zusammen mit Simone hatte ich keine Angst vor Übergriffen durch andere Menschen. Zusammen mit einem anderen ist es leichter, sich seinen Ängsten zu stellen.
Nachts wurde es tatsächlich sehr aufregend. Kurz nach der Dämmerung wurde es plötzlich ziemlich laut in dem ansonsten sehr stillen Nacht-Wald. Eine Rotte von mehreren Wildschweinen war in der Nähe deutlich zu hören. Vor Wildschweinen hatte ich immer Angst gehabt, wenn es um das Übernachten im Wald ging – sozusagen mein Angst-Endgegner. Tagsüber hatten wir bereits beim Herumstromern und Scouten nach einem guten Schlafplatz an anderen Stellen im Wald, Wühlspuren von Wildschweinen gefunden. Wir hatten unseren Schlafplatz extra in einiger Entfernung gewählt. Als die Rotte sich näherte, ging mein Adrenalinpegel ziemlich nach oben. Simone wusste dann, dass Wildschweine auf Lärm reagieren – zumindest, wenn sie noch in einiger Entfernung sind. Wir machten also Laute und raschelten mit dem Laub und Ästen, um die Wildschweine zu vertreiben. Tatsächlich haben sie sich dann entfernt und sind in dieser Nacht nicht wieder gekommen. Das war eine gute Erfahrung, die mir zukünftig mehr Sicherheit gibt.
Zwei- bis dreimal knallte dann in unmittelbarer Nähe noch richtig laut ein Jagdgewehr. Ansonsten blieb es in der Nacht ruhig. Dank Simones Gesellschaft verlief die Nacht – bis auf diese beiden Zwischenfälle – aber sehr angstfrei für mich. Alleine hätte das – wie ich bereits erfahren habe – vermutlich anders ausgesehen (siehe hierzu den Beitrag: Alone – Draußen schlafen in der Wildnis).
Neue Perspektiven – neue Erfahrungen


Simone und ich haben uns für den Biwaksack entschieden. Das hat uns den freien Blick auf einen wunderschönen klaren Sternenhimmel eröffnet. Wir beobachten, wie der helle Halbmond Richtung Westen zieht.
Im Biwaksack habe ich auch eine eher ungewohnte, neue Perspektive nach oben in die Baumkronen. Ich erkenne dadurch nochmal auf einer tieferen Ebene, dass jede Baumart sich vom Wuchs stark unterscheidet. Die majestätische, schnörkelige Eiche ist deutlich von der schlanken und geradlinigen Buche zu unterscheiden.
Tagsüber beim ziellosen Herumstromern und Scouten nach einem geeigneten Schlafplatz ist mir im reizreduzierten Winterwald schon aufgefallen, wie deutlich sich auch die Rindenmuster voneinander unterscheiden – die quergestreifte Kirsche, die längsgestreifte riffelte Eiche, die glatte Buche.



Mit der Dämmerung verstummt das laute Frühlings-Vogelgezwitscher. Es wird ganz still im Wald. Dann bekommen wir in dieser Nacht doch noch die Gelegenheit, unseren Hörsinn zu trainieren. Das ist ungewohnt, da bei uns Menschen der Sehsinn unsere Wahrnehmung stark dominiert. Es gibt einiges an Tiergeräuschen zu erlauschen und zu erraten. Und es ist spannend zu sehen, wie gut man die Bewegungsgeräusche den verschiedenen Tieren zuordnen kann. Da ist die laute Wildschweinrotte, die grunzt und im trockenen Laub herumwühlt. Dann hören wir ein einzelnes Tier. Wir rätseln – könnte das der Dachs oder Fuchs sein, dessen Bau wir beim Herumstromern entdeckt haben? Das Tier bemerkt uns und verfällt in „Galopp“. Jetzt ist es eindeutig als langbeiniges Reh zu erkennen. Im Verlauf der Nacht sind die langgezogenen Rufe einer Eule oder eines Kauzes zu hören. Morgens begrüßt uns der neue Tag – noch mit geschlossenen Augen – mit dem immer stärker einsetzenden Gezwitscher der Vögel. Als die Sonne zwischen den Bäumen aufgeht, ist alles wieder gut und auch die Schrecken der letzten Nacht vergessen.

Ich bin dankbar für diese Nacht und die Kraft der Gemeinschaft, die wieder eine Spur in meinem Leben und meinem Wachstumsprozess hinterlassen hat. Ich konnte beobachten, dass neue Lern-Erfahrungen Zeit und Raum brauchen. Dabei konnte ich die bestärkende Kraft der Gemeinschaft von Gleichgesinnten spüren. Ich habe erneut erfahren können, dass neue ungewohnte Perspektiven – mit dem Rücken auf dem Boden – helfen, neue Beobachtungen und Erkenntnisse zu sammeln.