Das heilige Ei und die Frage: Was ist heilig?

Gefärbte Ostereier

Was bedeutet „heilig“?

Ich habe die Aufgabe bekommen, etwas Heiliges zu finden, am besten in der Natur. Das hast mich zum Nachdenken angeregt. Was ist für mich „heilig“ und was nicht? Was bedeutet „heilig“ überhaupt?

Subjektive Wahrnehmung

Es fällt mir leicht, etwas Heiliges in der Natur zu entdecken. Ich denke, dass hat mit meiner Überzeugung zu tun, dass in der Natur alles „beseelt“ ist und einen Wert hat. Etwas ist heilig für mich, weil ich ihm diese Bedeutung beimesse.

Das ist ein sehr subjektiver Akt. Meine Wahrnehmung von dem, was heilig ist, kann sich mit der Wahrnehmung anderer Menschen decken. Dass ist umso wahrscheinlicher, wenn wir aus demselben Kulturkreis kommen, ähnlich sozialisiert sind und unsere Wertvorstellungen sich ähneln. 

Bewusste oder unbewusste Entscheidung

Ich habe oft darüber nachgedacht, was das Wort „heilig“ für mich bedeutet. Besonders dann, wenn ich es meinen Kindern erklären wollte. Heilig bezeichnet für mich, etwas Besonderes. Etwas Heiliges ist etwas, dass für mich eine besondere Bedeutung hat, weil ich ihm aufgrund meiner Erfahrungen und Wertvorstellungen eine besondere Bedeutung beimesse. Das kann eine bewusste oder unbewusste Entscheidung sein.

Verbindung zur nicht-sichtbaren Vorstellungswelt

Es geht um Vorstellungskraft und Glauben. Etwas wird für mich heilig, weil ich es mir vorstelle. Etwas ist für mich heilig, weil ich daran glaube, dass es heilig ist. Dass ist zunächst ein innerer Akt, der für andere nicht ohne Weiteres sicht- und nachvollziehbar ist. Es mir bewusst zu machen und etwas ehren als etwas Besonderes, dass herausgehoben ist aus der alltäglichen Welt, aus dem alltäglichen Erleben, kann für mich Bedeutung schaffen im Leben. Das steckt auch Selbstwirksamkeit drin. Ich kann meinem Leben bewusst Bedeutung geben. Wenn wir dem Heiligen Raum geben in unserem Leben, kann das Verbindung zu einem größeren Ganzen schaffen. Auch wenn wir das in unserer wissenschaftsorientierten Welt oft nicht wahrhaben wollen, wissen wir Menschen nur wenig. Die Anbindung an das Heilige hat uns seit altersher Vertrauen gegeben und eine Verbindung zum Mysterium Leben geschaffen. Das hat aus meiner Sicht heute die gleiche Relevanz wie früher.

Den eigenen Glauben teilen

In der menschlichen Kulturgeschichte wurden die eigenen Vorstellungen davon, was heilig ist, immer wieder mit anderen Menschen geteilt. Darum geht es letztendlich im Zusammenhang mit Religion und Glaubensvorstellungen, aber auch anderen gesellschaftlichen Glaubens-Vorstellungen, wie dem Glauben an unsere Wirtschaftsordnung, den Glauben an Nationen und Staaten, den Glauben an bestimmte Werte, etwa den Menschenrechten. 

Ich merke, dass ich das Teilen von Glaubensvorstellungen fast automatisch als etwas Negatives bewerte. Das hängt sicherlich mit den vielen negativen Aspekten zusammen, die sich in der Menschheitsgeschichte durch blinden Glauben und dem Missbrauch des Glaubens von Menschen durch Priester, Herrscher und Mächtige gezeigt haben. 

Die verbindende Kraft des Glaubens

Aber ich sehe auch, dass das Teilen von Glaubensvorstellungen viele positive Aspekte hat. Dadurch kann das Gefühl einer besonderen Verbundenheit und heilsame Gemeinschaft entstehen. Die Spezies Mensch hat vor allem auch deswegen so gut auf dieser Erde überlebt und sich so stark ausbreiten können, weil sie an dieselben Geschichten geglaubt haben. 

Unsichtbares sichtbar machen

In der Entwicklung vom Affen zum Menschen haben wir eine immer stärkere Vorstellungskraft entwickelt. Dadurch konnten wir uns immer besser etwas vorstellen, was nicht sichtbar war. Vielleicht sind die ersten Kunstwerke in der Menschheitsgeschichte, die beeindruckenden Höhlenmalereien (beispielsweise in Lascaux in Frankreich, aber auch überall auf der Welt) und kunstvoll verzierten Werkzeuge und Schmuckstücke, ein Zeichen dieser besonderen Vorstellungskraft. Hier wird das unsichtbare Seelenleben, die Vorstellungskraft unserer Vorfahren erstmals sichtbar und hat einen Ausdruck gefunden.

Heilsame Verbindung

Der Glauben an eine heilige Sache – die heilige Jagd, an heilige Götter und an eine gemeinsame Zukunft – hat die Zusammenarbeit in großen Gruppen für Ziele, die in der Zukunft liegen, möglich gemacht. Wenn wir unsere Vorstellung davon, was Heilig ist, mit anderen teilen, ist tiefe Verbindung und Beziehung möglich.

Damit dies in einer heilsamen Art und Weise geschieht, ist es wichtig, dass dies aus einer eigenen inneren Überzeugung und freien Entscheidung heraus passiert und nicht durch Beeinflussung, Druck und blinde Übernahme der Glaubensvorstellungen von anderen. 

Das heilige Oster-Ei des Neubeginns

Ich bin über die Schwelle in das kleine Wildnis-Gebiet am entlegenen Haus meiner Großeltern und meine Vaters gegangen und da lag sie – diese wunderschöne aufgebrochene Eierschal. Es hat mich sofort durchzuckt und ich wusste sofort, dass diese Eierschale für mich etwas Besonderes, etwas Heiliges, ein Zeichen ist. Vielleicht, weil ich nur selten ein Vogelei finde. Vielleicht, weil das Ei ein uraltes Symbol dafür ist, dass aus der Dunkelheit, etwas Neues, neues Leben entsteht. Und es kann kein Zufall sein, dass heute Ostern ist.

Was das heilige Ei mich lehrt

Das Ei ist wunderschön, blass bläulich und gleichmäßig mit blass braunen Sprenkeln verziert. Ich empfinde dieses Oster-Ei, wie ein Geschenk des Lebens an mich. Voller Möglichkeiten. Es braucht Zeit und Geduld, damit etwas Neues im Verborgenen Heranwachsen darf. Das Ei lehrt mich, dass ich mir Zeit nehmen darf. Ich kann den Prozess der Entstehens nicht beschleunigen. Wenn es soweit ist, braucht es Mut und Kraft, um die Schale zu durchbrechen und sich ins Unbekannte zu wagen. Wer nicht (innerlich) sterben will, muss sich ins Leben wagen – immer und immer wieder. Die zurückgebliebene Eier-Schale ist wunderschön. Sie lehrt mich, dass ich auch die Vergangenheit und den Weg ehren darf, der mich zu neuem Leben führt..

Reflexionsfragen

  • Was bedeutet für dich das Wort heilig?
  • Gibt es etwas, dass dir heilig ist?
  • Was ist dir heilig?
  • Teilst du deine Vorstellung darüber, was für dich heilig ist, mit Anderen?
  • Was entsteht dadurch?

Frohe Ostern!

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